Giovannis Insel ist ein Anime von Mizuho Nishikubo und Studio Production I.G aus dem Jahr 2014. Er lief international auf mehreren Festivals und konnte auch einige Preise für sich gewinnen. Seit dem 20. Februar 2015 ist der Anime in Deutschland bei Universum Anime verfügbar.
Die Geschichte zweier Brüder
Giovannis Insel handelt von den Brüdern Junpei und Kanta am Ende des Zweiten Weltkriegs. Beide werden auch Giovanni und Campanella genannt, nach zwei Figuren aus ihrem Lieblingsbuch Night on the Galactic Railroad. Zusammen mit ihrem Vater, Großvater und Onkel leben sie auf Shikotan, einer Insel im hohen Norden von Japan an der Grenze zu Russland. Kurz vor Kriegsende besetzt Russland die Insel und Soldaten ziehen mit ihren Familien dorthin, so dass die japanische Bevölkerung u. a. von Ihren Häusern in die Ställe ziehen muss. In der Schule werden die Klassen zusammengelegt, um Platz für die russischen Kinder zu machen. Trotz dieser Ausgangslage freunden sich die Kinder untereinander an, auch über Sprachgrenzen hinweg. Besonders Junpei verguckt sich dabei in Tanya, die Tochter des russischen Befehlshabers. Durch Zufall beobachten die beiden jedoch, wie Junpeis Vater und die japanische Lehrerin Reis aus dem alten Depot der japanischen Armee holen und über die Insel verteilen. Als Junpeis Vater später verhaftet wird, glaubt Junpei fest daran, dass Tanya ihn verraten hat. Was mit dem Vater geschieht bleibt unklar, so dass sich der Onkel und die Lehrerin bzw. Freundin des Vaters nun um die Kinder kümmern. Die japanische Bevölkerung wird kurz darauf von der Insel nach Russland gebracht, wo für Junpei und Kanta die Suche nach ihrem Vater beginnt. Dieser ist zwar noch am leben, aber das Schicksal stellt Junpei noch auf eine harte Probe…
Die Nacht in der galaktischen Eisenbahn
Giovannis Insel behandelt zwei Themen, die für nicht-Japaner etwas befremdlich sein könnte bzw. nicht zu unserem Wissen gehören. Das erste ist die Parallelität von Giovannis Insel und dem Buch Night on the Galactic Railroad von Kenji Miyazawa. Oft wird aus dem Buch gelesen, die Kinder stellen sich vor an Bord des Zuges zu sein und alltägliche Gegenstände verwandeln sich in ihrer Fantasie in z. B. Fahrkarten. Zu Tanya stellen sie sich sogar nur mit ihrem fiktiven Namen vor. Wer mit der Geschichte vertraut ist, wird daher von dramatischen Wendung am Ende auch nicht überrascht sein.
Die zweite Thematik ist der Konflikt um die Kuril Inseln, zu der auch Shikotan gehört. Bis heute streiten Russland und Japan um diese Inselgruppe im Norden zwischen den beiden Ländern, wobei zum jetzigen Zeitpunkt alle Inseln offiziell zu Russland gehören. Die Geschichte knüpft an diesem Punkt an die Realität an, als russische Truppen tatsächlich die Inseln besetzten. Der Rest ist jedoch frei erfunden und es mag auch angezweifelt werden, dass Russen und Japaner so harmonisch miteinander dort gelebt haben.
Sanfte Zeichnung des Krieges
Denn Giovannis Insel zeichnet ein sehr reduziertes und weniger dramatisches Bild von der Nachkriegszeit als z. B. Barfuß durch Hiroshima. Die Schrecken des Krieges/Nachkriegs kommen nur am Rande vor und sind nicht der Fokus der Geschichte, nur vereinzelt gibt es ein paar Szenen, die härterer Gangart sind. Zum Beispiel wenn einer Frau auf dem Schiff das Baby weggenommen und über Bord geworfen wird, wobei fraglich ist, ob es zu diesem Zeitpunkt schon tot war oder nicht. Es ist aber wirklich eine der wenigen Ausnahmen, weswegen Giovannis Insel für Kinder eigentlich uneingeschränkt zu empfehlen ist. Kinder werden sowieso am meisten Spaß an den ausflügen in die Fantasie haben, doch auch Erwachsene kommen auf ihre Kosten. Denn der handgezeichnete Anime überzeugt mit wunderbaren Bilderwelten, die sich mit Ghibli (!) Anime messen können und auch sollten. Production I.G hat hier wunderbare Arbeit geleistet und bringt Charaktere und die Eisenbahn gekonnt zum Leben. Der Höhepunkt ist am Ende die Tanzszene zwischen Russen und Japanern, welche durch Motion Capture entstanden ist. Ein Fest für die Augen.
Ein Schwachpunkt – kein Ziel
Bei all den Komplimenten gibt es jedoch auch Schatten. So „dümpelt“ die Geschichte nur vor sich hin und hat kein richtiges Ziel. Wir schauen einfach zu was passiert, ohne uns zu fragen, was passieren mag. Das hat auch Totoro schon nicht gut getan, denn man ist nicht so sehr bei der Sache, wie man sein sollte. Besonders ist dies sichtbar am Ende der ersten Hälfte, nachdem die Insel verlassen wurde. Irgendwie wirkte das schon wie ein Abschluss und alles was danach kommt wirkt wie ein Epilog. Ein wenig mehr Dramaturgie hätte dem Film daher gut getan, vor allen Dingen, weil es nicht auf einer wahren Geschichte beruht.